Wohnungskrimi

Es ist der 15. November.

Michael wirft, wie häufig, früh den Computer an und guckt was so über den letzten Tag oder die letzten 12 Stunden neu an Wohnungen auf den üblichen Portalen reingekommen ist. Häufig gucken wir zweimal am Tag, um bei neuen Sachen schnell zu sein.

Mittlerweile hat Michael die automatische Benachrichtigung (die leider nur auf einem von 3 Portalen wirklich funktioniert) auf „sofort benachrichtigen“ umgestellt weil sich die tägliche Zusammenfassung einmal als zu langsam herausgestellt hatte. Und so kommt es vor das Michael mehrfach am Tag wegen einer Wohnungsbenachrichtigung unvermittelt nach dem Handy greift, kurz eine Wohnung überfliegt und feststellt das die Wohnung nicht zu uns passt. Und schon ist das Telefon wieder in der Tasche verschwunden.

So langsam haben die Vermieter gemerkt das ihre Mieten doch zu hoch sind und die Wohnungen die mit reduziertem Preis auf den Portalen stehen häufen sich.

Michael hat am Tag vorher abends noch bissel geguckt und was eventuell passendes gefunden. Da es nicht super passend erschien hat Michael nicht angerufen sondern abends über das Portal eine Anfrage geschickt.

Morgens am 15. November, während dem Frühstück, kam dann der Rückruf der Maklerin. Und damit begann dann für uns eine Emotionale Achterbahnfahrt. Sie müsste erst mal gucken ob die Wohnung überhaupt noch verfügbar ist, da es eine alte Anzeige ist (die ich ja aber nur gefunden habe, weil sie 2 Tage vorher aktualisiert wurde). Aber sie hätte was günstigeres für mich im Stadtteilzentrum mit Meerblick. Da hat Michael dann gemeint das das ja schön ist, aber eine Einzimmerwohnung mit 2 Kindern wohl doch etwas klein ist.

Das sah sie ein und meinte aber sofort: Ich hab da vielleicht was anderes spannendes. Aber das müsse sie erst noch selber angucken, ob sie dafür die Vermittlung übernimmt.

Michaels Telefon klingelt knapp zwei Stunden um 11:03 wieder. Die Maklerin ist dran meint das wir die Wohnung besichtigen könnten. Sie wäre möbliert. Wir vereinbaren Zeit und Treffpunkt und sehen schon Nachmittags halb vier die Wohnung. Wir wussten bis dahin weder wie viele Quadratmeter, noch wie viele Schlafzimmer oder was es kosten soll.

Also hat Michael beim Unterschreiben des Maklervertrages versucht die Stelle zu finden wo der Preis steht. Den hat er dann fix Katha zugeraunt und wir waren uns sicher das wir die Wohnung nur noch aus Höflichkeit anschauen, aber sie nicht zu unserem Budget passt.

In der Wohnung drin, stellen wir fest: schick geschnitten, Platz für Gäste, gute Größe für uns und sogar mit Meerblick. Aber immer noch zu teuer.

Die Maklerin machte gleich Druck: Wenn ihr die wollt, müsst ihr euch bis heute Abend melden. Ich hab morgen eine griechische Familie die hier in der Gegend schon wohnt und ein Laden hat.

Das haben wir erst mal ausgesessen, weil ist ja eh nicht unsere Preisregion. Statt abends haben wir uns am späteren Vormittag des nächsten Tages mit einem Angebot das sich für uns nicht nur gut verhandelt sondern sogar dreist anfühlte gemeldet. Wir haben einfach geguckt was in unser Budget passt und das Angeboten, zusammen mit dem Angebot 6 Monatsmieten im voraus zu zahlen.

Zu unserer Überraschung wirkte die Maklerin nicht sonderlich abgeneigt das den Eigentümern anzubieten. Und das obwohl unser Angebot etwa 25% unter dem Preis der Vermieter lag.

Die Maklerin rief dann gegen Mittag zurück, und sagte das die Miete passt und auch die 6 Monate Vorauszahlung. Nur sollte ein großer Teil der Miete kreativ außerhalb des Vertrages laufen.

Das war verlockend. Aber unser moralischer Kompass meldete auch bedenken an. Nach ein paar Minuten drüber reden war klar: wir werden es wahrscheinlich nicht machen. Das „wahrscheinlich“ war noch da, da der Deal echt verlockend war. Wir haben dann mit Kollegen telefoniert um von deren Erfahrung in solchen Fällen zu profitieren. Die Quintessenz war: haben wir nie gemacht. Aber auch immer ohne erhobenen Zeigefinger: das ist Illegal (Zerstört hier schnell Beziehungen). Der Tipp war: sagen das wir als Ausländer kein Risiko eingehen wollen außer Landes verwiesen zu werden. Das verstand die Maklerin zwar nicht („Das Risiko trägt doch der Vermieter und nicht ihr. Ihr seid vom Gesetz geschützt“). Aber sie wollte trotzdem nochmal mit den Eigentümern reden. Die Frage war jetzt, ob wir 12 Monate Miete voraus zahlen könnten? Michael war zögerlich und meinte das er das erst mit dem Bankkonto klären müsste. 9 Monate wären OK. Also zog die Maklerin los.

Wir wussten noch nicht ganz was jetzt passiert. Wir hatten die Wohnung nur flüchtig angeguckt und gedacht das wir beim Preis einfach raus sind. Jetzt verhandelte die Maklerin für uns. Wollen wir die Wohnung wirklich?

Etwa 45 Minuten später rief die Maklerin wieder an. Es ist immer noch der 16. November.

Wir können die Wohnung haben. Wir müssen nur einen Monat in bar als Sicherheit hinterlegen, damit die Vermieter von einer Insel nach Athen kommen können.

Wir sind platt. Freude will sich breit machen. Aber wir können nach dem Krimi und der Anspannung noch nicht glauben das wir die Wohnung tatsächlich haben. Wir bleiben skeptisch, bis der Vertrag unterschrieben ist. Irgendwie hängen wir zwischen dieser Skepsis „ist es das jetzt wirklich?“ und der Freude „Gott hat uns eine gute Wohnung geschenkt“. Die Emotionen kommen nicht durch. Zu viele Geschichten haben wir gehört, das es dann doch nichts wird.

Am 21.November haben wir dann den Vertrag unterschrieben, alle offenen Fragen geklärt. Und jetzt haben wir eine Wohnung. Wir können Freitag (25.11.) einziehen. Unser AirBnB konnten wir um einen Tag bis dahin verlängern.

Jetzt ist die Spedition beauftragt, in 10 Tagen haben wir dann auch unsere Sachen da.

Irgendwie ging das jetzt fix. Und eigentlich zu fix das wir schon so richtig realisiert haben das wir eine Wohnung haben.

Eine Wohnung in dem Kiez wo wir Kollegen und Freunde haben.

Eine Wohnung in der Gegend wo Ole sich schon zuhause fühlt und weiß wann er wen auf welchem Spielplatz treffen will.

Eine Wohnung die wir uns leisten können.

Eine Wohnung mit Platz für Gäste (komm uns gerne besuchen)

Eine Wohnung die nur 5 Minuten von der Metro weg ist.

Eine Wohnung mit Blick auf die Berge und das Meer.

Jetzt beten wir das Gott dieses Geschenk nutzt, damit andere Ihn in unserer Wohnung erleben und wir ein schönes Zuhause haben.

Wohnungssuche oder griechisches Kulturtraining

Während der ersten Runde Wohnungssuche von Michael mit einem Freund, haben wir schon viel neues über Griechenland gelernt:

  • Zum einen gibt es Vermieter die keine Ausländer wollen. Zum anderen gibt es Vermieter die lieber Ausländer statt Griechen als Mieter haben. Beides beruht mutmaßlich auf Erfahrungen in der Vergangenheit.
  • Mieten kann man hier durchaus nachverhandeln. Und ganz gute Argumente hat man wenn man anbieten kann 6 Monatsmieten voraus zu zahlen. Da gibt es schon mal 10%-15% Nachlass auf die Miete. Ein besseres Investment haben wir lange nicht mehr gesehen.
  • Es gibt Wohnungen die erstmal eine Renovierung/Sanierung benötigen. Da ist es völlig normal, das ich als Mieter dafür die Handwerker bezahle und im Gegenzug dazu dann ein paar Monate mietfrei lebe. Das liegt, genau wie der Punkt vorher, daran das hier kaum Rücklagen oder Bankguthaben vorhanden sind1.
  • aus gleichem Grund bekommt man die Kaution die man zum Mietbeginn zahlt wohl auch nicht (oder selten) wieder. Sie wird einfach vom Vermieter ganz normal ausgegeben. Das klärt man dann übrigens darüber das man einfach die letzte Monatsmiete vor dem Auszug nicht mehr zahlt.

Das wissen im Gepäck haben wir uns in die zweite Runde Wohnungssuche gestürzt und gleich unser Suchlimit etwas erhöht um eine größere Auswahl zu haben (Die Preise sind übrigens mit Dresden vergleichbar, bei niedrigerem Einkommen).

Leider gibt es anscheinend aktuell weniger frei Verfügbare Wohnungen als noch vor einem Monat. Damals hat Michael in weniger als einer Woche 6 Besichtigungen gehabt. Das haben wir jetzt nach reichlich zwei Wochen erreicht.

Die dadurch entstehenden Freiräume nutzen wir um die Stadt und das Team kennen zu lernen und Sprache zu lernen. Katha hat jetzt mehrere unterschiedliche Farsi-Kurse getestet und Michael das Griechisch weiter vertieft. Das macht jetzt doppelt Freude wenn man die gelernten Worte jetzt tagtäglich hört und vertiefen kann.

Die Wohnungssuche gibt dann aber auch wieder Frustpunkte. Völlig überraschend, weil eigentlich nicht zur Kinderfreundlichen Kultur passend, haben wir jetzt das zweite mal eine Absage von einem Besichtigungstermin bekommen, weil die Eigentümer keine Kinder in der Wohnung haben wollen.

Ein andermal hatten wir eine Bekannte mit eingespannt, da die Maklerin kein Englisch spricht und Michaels Griechisch noch zu schlecht ist, um einen Besichtigungstermin auszumachen. Es ist völlig üblich, das die genaue Adresse erst kurz vor der Besichtigung mitgeteilt wird. Und so hatten wir einen Morgen eine Adresse, die wir schon kannten. Jetzt war es als Einfamilienhaus beschrieben. Deswegen waren wir interessiert. Aber die Wohnung um die es ging, kannten wir schon. Als die Maklerin das verstanden hatte, war sie schnell wie der Blitz verschwunden (vermutlich um nicht noch mehr Zeit zu vergeuden).

Und so suchen wir weiter. Filzen jeden Tag ausgiebig die einschlägigen Portale und Facebook Marketplace (Überraschend ist Facebook hier noch nicht tot) auf der Suche nach guten Angeboten.

In all dem versuchen wir nicht zu verrückt und zu frustriert zu werden, das es noch nicht gepasst hat. Der Transport unserer Sachen aus Dresden ist erstmal abgesagt/verschoben. Und ob es klappt am die Adventszeit in unserer eigenen Wohnung zu verbringen wissen wir auch nicht.

Fußnote 1: https://www.tagesspiegel.de/ein-drittel-lebt-von-der-hand-in-den-mund-kein-geld-fur-unerwartete-ausgaben-8716927.html